Architektenporträt: Santiago Calatrava

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Der spanische Stararchitekt Santiago Calatrava ist einer der außergewöhnlichsten Ingenieure der heutigen Zeit. Ursprünglich wollte er Künstler werden, ließ sich jedoch von Architekten aus der Vergangenheit inspirieren. “Eines Tages entdeckte ich zufällig in einem Schreibwarenladen in Valencia ein kleines Buch mit wunderbaren Farben, ich kaufte es auf der Stelle. Es handelte von Le Corbusier, dessen Werk für mich eine Offenbarung war. Ich sah Bilder von den Treppenhäusern in der Unité d´Habitation, und ich dachte bei mir, was für ein außerordentliches Formgefühl! Das Buch sollte die künstlerischen Aspekte im Werk des Architekten veranschaulichen. Die Folge dieses Kaufs war, dass ich an die Architekturfakultät wechselte.” Nachdem er sein Architekturstudium 1974 in Valencia beendet hatte, promovierte er zwischen 1975 bis 1979 als Bauingenieur. Durch seine weiteren Kenntnisse in den Bereichen Kunst und Ingenieurwesen, entwirft und realisiert er seine Bauwerke nicht nur aus der Betrachtungsweise eines Architekten, sondern vereint den gestalterischen und technischen Bereich. 1980 eröffnete er sein erstes Architekturbüro in Zürich, hatte es am Anfang aber nicht leicht als Architekt. Jedoch bekam er in den nächsten Jahren viele Aufträge für den Bau von Brücken, machte sich so einen Namen und konnte 1989 ein Büro in Paris und zwei Jahre später ein weiteres in Valencia eröffnen.

Calatrava ist nicht nur Architekt und Bauingenieur, sondern auch Künstler und Bildhauer und zählt sowohl Skulpturen und einzigartige Brückenkonstruktionen, als auch spektakuläre Bauwerke, wie Verkehrsbauten, Türme und Kulturbauten auf der ganzen Welt zu seinem Schaffen. Ein besonderes Merkmal seines Stils ist die technische Grundlage seines Designs. Oft lässt er sich auch von natürlichen und menschlichen Formen inspirieren und skizziert diese als erste Vorentwürfe für seine Bauwerke. Weitere Wiedererkennungsmerkmale sind auch die bevorzugte Materialverwendung von Stahl, Beton und Glas und die Einbindung von Licht sowie  Wasser. Zu Calatravas Philosophie der Architektur gehört es die Bewegung und die Veränderbarkeit der Räume zu veranschaulichen. Einigen seiner skulpturalen Bauwerke verleiht er durch den Einsatz von kinetischer Architektur Bewegung in den Tragwerken.

Ein Bauwerk bei dem das für den Architekten charakteristische Element der Bewegung zum Einsatz kommt, ist das Milwaukee Art Museum (1994-2001). Die Empfangshalle wird mit einer beweglichen Sonnenblende aus zwei gerippten Flügeln beschattet. Das Gebäude, das aus einer Glas- und Stahlkonstruktion besteht, stellt den Flug eines riesigen, eleganten Vogels dar.

Ein weiteres Beispiel ist das Planetarium mit integriertem IMAX-Kino, das zu dem Gebäude-Ensemble von Santiago Calatravas „Stadt der Künste und Wissenschaft“ in Valencia gehört. Es ist als sich öffnendes und schließendes Auge konstruiert worden. Eine Halbkuppel erscheint als Pupille, die mit einem rippenförmigen, beweglichen Dach, welches als Augenlied wirkt, überdeckt werden kann.

Calatrava begeistert sich neben der Kinetik auch für das Organische, wie Blattstrukturen und Fossilien, aber er orientiert sich auch oft an der Anatomie menschlichen und tierischen Körpers. Oft skizziert er seine Ideen in vereinfachten Formen als erste Vorentwürfe seiner Bauwerke. Die Vorlage für die Konstruktion des Turning Torso in Malmö (1999 -2004), dem höchsten Wolkenkratzer Skandinaviens, ist die sogenannte „Twisting-Torso“ Figur, die eine seitliche Drehung des menschlichen Rückgrats darstellt. Indem jedes Geschoss zum darunter liegenden verdreht aufgesetzt ist, verdreht sich der Turm auf der gesamten Höhe um 90° und erweckt den Eindruck, es würde sich um die eigene Achse drehen. “Bei den Skulpturen”, sagte der Architekt, “verwende ich einfache Formen, die häufig mit meinen Kenntnissen als Ingenieur zu tun haben. Es war die Bildhauerei, die mich zum Turning Torso anregte. Ich bewundere die Freiheit eines Frank Gehry oder eines Frank Stella als Bildhauer. Stellas Werke sind von solcher Freude und Freiheit erfüllt, die in meinen Skulpturen, die stets aus den festen Regeln der Mathematik fußen, nicht präsent sind.”

Der Architekt musste jedoch vor allem in seinem Heimatland schon einige Male aufgrund seiner skulpturalen, wiedererkennbaren Formsprache Kritik einstecken, da die Funktion der Gebäude nicht immer auf den ersten Blick ablesbar ist. Seine Bauwerke sind zugleich aufsehenerregend und individuell. Dennoch werden die Werke im Allgemeinen sehr bewundert. “Wir halten ihn für den da Vinci unserer Tage”, sagte Joseph Seymour, der frühere leitende Direktor der Port Authority von New York und New Jersey, in deren Auftrag der Bahnhof des neuen World Trade Centers entsteht, den Calatrava entworfen hat . “Er vereint Licht und Luft und konstruktive Eleganz mit Stärke”.

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