„Gaudí war einer der herausragendsten Köpfe im Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert“ laut des Kritikers und Kunsthistorikers Daniel Giralt-Miracle. Dies lag wohl u.a. daran, dass er aufgrund seiner ausgeprägten Individualität und seines Wagemutes gleichzeitig mit der Tradition brechen und dennoch den historischen Stilrichtungen treu bleiben konnte, um den Ansprüchen des Bürgertums der Jahrhundertwende gerecht zu werden. Der enge Bezug zur Natur, der in seinen Bauten stark auffällt, entwickelte sich bei Gaudí schon als Kind, da er als Sohn einer Familie von Kupferschmieden in einer Provinz in der Nähe von Barcelona aufwuchs und wegen Gelenkschmerzen viel Zeit auf dem Land verbrachte. Alle baulichen und strukturellen Regeln, die er als Architekt zur Planung brauchte, fand er in der Tier- und Pflanzenwelt. „Wollen Sie wissen, wo ich mein Vorbild gefunden habe? Ein aufrechter Baum; er trägt seine Äste und diese die Zweige und diese die Blätter. Und jeder einzelne Teil wächst harmonisch großartig, seit der Künstler Gott ihn geschaffen hat“, sagte Antoni Gaudí.
Im Jahre 1883, bereits fünf Jahre nach Abschluss seines Architekturstudiums, zählte er mit den Arbeiten an drei sehr bedeutenden Projekten, den beiden herrschaftlichen Wohnsitzen Casa Vicens und Villa El Capricho sowie der Leitung der Baustelle der Sagrada Família, zu Kataloniens bekanntesten Architekten. Vor allem die gute Beziehung zu Eusebi Güell, der Gaudís größter Auftraggeber und einer seiner besten Freunde wurde, ermöglichte es ihm seine beruflichen Träume zu verwirklichen und mit seinem eigenewilligen, phantasievollen Stil großen Einfluss auf die katalanische Architektur auszuüben. Er begann am katalanischen Modernisme, der spanischen Variante des Jugendstils, mitzuwirken, wobei er Alltagsmaterialien und die Handwerkstradition seiner Heimat in den Bereichen Keramik, Eisenschmiede und Kunsttischlerei bevorzugte. Aus diesen einfachen Materialien und durch eine individuelle, organisch-naturalistische Formensprache entstanden extravagante Bauwerke und prächtige Gartenlandschaften mit kostbar wirkenden Oberflächen.
Seine Entwürfe basierten oft auf in der Natur vorkommende geometrische Formen und gingen immer aus dreidimensionalen Modellen aus Gips, Holz oder Schnüren mit Gewichten hervor. Er hat mit Materialien, Berechnungssystemen, Geometrie und Ästhetik der Architektur experimentiert. Der Künstler hat es geschafft Statik mit architektonischer Form aus Raum und Ornament zu vereinen und diese nicht nur zweidimensional zu verdeutlichen, sondern zu den Wurzeln der Architektur durchzudringen, um die Kräfte, die hinter der Oberfläche wirken, hervorzuheben. Diese ungewöhnlichen Kräfte erzeugen eine imposante und einzigartige Wirkung in seinen Bauwerken.
Gaudi galt mit seinem eigenen Stil bei seinen Zeitgenossen als umstritten, doch heute werden seine Bauten sehr geschätzt. Zwischen 1890 und 1914 verwirklichte er jene Bauten und Gärten, die zu seinen Meisterwerken gehören und von denen einige von der UNESCO zu Weltkulturerbe erklärt wurden, wie den einzigartigen Park Güell, der ursprünglich als Gartenstadt geplant wurde, die farbenfrohe Casa Batlló mit ihrer knöchernen Mosaikfassade und dem schuppigen Buckeldach sowie die plastisch-organische Casa Milà mit ihrem fantastischen Skulpturengarten auf dem Dach. Als Baumeister der ewigen Baustelle der Sagrada Família, von der er behauptete dass es „die erste Kathedrale einer neuen Serie“ sei, war es sein Ziel durch Zeichnungen und Gipsmodelle die zukünftigen Arbeiten zu sichern, für deren Fertigstellung er noch weitere 200 Jahre voraussagte. Ab 1914 verzichtete er auf weitere Aufträge und lebte sehr zurückgezogen, um sich ausschließlich den Arbeiten an seinem Lebenswerk, der Sagrada Família, zu widmen, bis er am 10. Juni 1926, nachdem er von einer Straßenbahn angefahren wurde, infolge seiner Verletzungen verstarb. Gaudí hinterließ keine Nachkommen, jedoch begleiteten zahlreiche Bürger Barcelonas den Trauerzug des genialen Künstlers Kataloniens bis zur Sagrada Família.