Die WM-Stadien in Brasilien. Umnutzung oder was?

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Die WM 2014 in Brasilien hat vor allem uns Deutschen viel Freude bereitet. Auch architektonisch betrachtet bringt sie ästhetisch hervorragende Stadien hervor, die zudem auch der Umwelt Rechnung tragen. Sechs von zwölf  wurden durch LEED mit Umweltsiegel zertifiziert. Wobei die ‚Arena da Amazônia‘ in Manaus von Gerkan Marg und Partner aus Hamburg lediglich mit einem einfachen Siegel ausgezeichnet wurde, ebenso wie das ‚Estádio Castelão‘ in Fortaleza. Die Stadien in Rio de Janeiro, Recife und Salvador hingegen erhielten Silber. Das ‚Estádio Governador Magalhães Pinto‘ in Belo Horizonte erreichte sogar Platin. LEED klassifiziert systematisch nach sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Kriterien. Gepunktet haben die Stadien unter anderem mit Systemen, welche das Regenwasser auffangen um es zur Rasenbewässerung und Toilettenspülung nutzen zu können. So wird der Trinkwasserbedarf enorm reduziert und Kosten einspart. Gebäudeautomatisierungssysteme verbessern die Energiebilanz der Stadien erheblich. Sie steuern die haustechnischen Funktionen wie Licht, Lüftung und Beheizung nach Bedarf und reduzieren so den Energieverbrauch. So kann die Komforttemperatur in den Arenen konstant gehalten werden. Die Stadien sind zudem mit zentral positionierten Abfallbehältern ausgestattet, welche über ein Trennsystem verfügen. So können beispielsweise Glas, Plastik und Papier separat recycelt werden. Bei den verwendeten Beschichtungsstoffen wurde darauf geachtet, dass die Grenzwerte eingehalten wurden. Thyssen Krupp hat Curitiba, Porto Alegre, Fortaleza und Cuiabá mit energieeffizienten Aufzügen ausgestattet, welche mit getriebelosen Antrieben funktionieren und über eine integrierte LED –Beleuchtung verfügen. Die Tatsache, dass viele Stadien sehr energiebewusst gebaut oder umgebaut wurden, hängt auch damit zusammen, dass die nationale brasilianische Entwicklungsbank (BNDES) als Bedingung zur finanziellen Unterstützung ein Umweltsiegel forderte. Da das Umweltkonzept in Basilien sehr gut umgesetzt werden konnte, hat die FIFA die LEED-Zertifizierung nun auch für die WM 2018 in Russland zur Auflage gemacht.

Ein Nachhaltigkeitsgedanke bezüglich der Zeit nach der Weltmeisterschaft findet sich ansatzweise in den Planungen der Arena in São Paulo. Sie wurde mit rückbaubaren Tribünen ausgestattet, um den nach der WM nicht mehr benötigten Platzbedarf zu reduzieren und das Material armen Stadtteilen zur Verfügung stellen zu können. Doch konkrete Umnutzungs- oder Nachnutzungskonzepte blieben aus. Von den energieeffizienten und ressourcenschonenden Maßnahmen, profitieren auf lange Dauer lediglich die Stadien, welche auch nach der WM von großen Fußballvereinen genutzt werden können. Denn die Kostenersparnis durch Energieeffizienz, rechnet sich nur während des Betriebes der Arenen. An Nachhaltigkeitskonzepte bezüglich der Herstellung und den WM-Betrieb wurde in den Planungen folglich umfassend gedacht. Doch viel mehr noch beschäftigt die Frage nach der Erhaltung, weiteren Nutzung und Finanzierung der Arenen. Einige der Stadien können wie bereits erwähnt auch jetzt nach der Weltmeisterschaft von den Vereinen der ersten brasilianischen Liga weiter genutzt werden. Aber den Arenen in Natal, Manaus, Brasília und Cuiabá droht der Leerstand.

Axel de Stampa und Sylvain Macaux von 1week1project haben sich diese Problematik zur Aufgabe gemacht. Ihre Idee konzentriert sich auf die Umnutzung, der nach der WM leerstehenden Stadien. Sie nennen das Projekt ‚Casa Futebol‘. Das Konzept sieht vor,  etwa 105 m² große mobile Wohncontainer zwischen den konstruktiven Elementen zu platzieren. Ein Teil des Erlöses, von den in den Stadien stattfindenden Events, würde für den Erhalt der Arenen und der Wohneinheiten genutzt werden. Um einen Eindruck von der Idee zu bekommen, haben sie die betroffenen Stadien ‚Arena das Dunas‘ in Natal sowie das ‚Estádio Nacional‘ in Brasília, mit Wohncontainern ausgestattet, visualisiert. Die bunten Wohnmodule fügen sich optimal in die Gesamtoptik ein und lockern die Ästhetik auf interessante Art auf. Kritiker haben bereits Bedenken, bezüglich der Statik geäußert. Aber die Idee von de Stampa und Macaux ist bisher auch lediglich ein roher Entwurf, den es auszuarbeiten gelten würde. Sind doch kreative Ansätze die Basis für große Projekte. Neben dieser Idee der Umnutzung wurden noch weitere interessante Vorschläge geäußert, welche durchaus zu überlegen sind. So wäre es beispielsweiße naheliegend, die Arenen für ‚urban farming‘ zu nutzen. Der Freibereich des Fußballfeldes käme dann dem Anbau von Getreide zu, das zu Viehfutter verarbeitet werden würde. Die Tribünen würden zu vertikalen Ställen umgebaut. Diese Idee knüpft an das Konzept ‚pig city‘ von MVRDV an, die in vertikalem Farming die Lösung für die Flächenprobleme der Niederlande sehen. Eine weitere Überlegung ist es, die Stadien zu Kaufhäusern mit zentraler Piazza umzubauen. Wobei der Freibereich in der Mitte auch als Park organisiert werden könnte. Ebenso wäre auch eine Umnutzung zu Universitäten mit einem zentralen Außenbereich denkbar. Manaus denkt derzeit darüber nach die ‚Arena da Amazônia‘ als Gefängnis umzubauen. Hier würden dann beispielsweiße Straftäter in Untersuchungshaft zwischen inhaftiert, welchen noch kein konkreter Aufenthaltsort zugewiesen wurde. Dies käme der Problematik Brasiliens überfüllter Gefängnisse entgegen. Auch Krankenhäuser könnten gegebenenfalls organisiert werden. Doch bleibt zu überlegen, ob eine staatliche Einrichtung, welche zwar notwendig, aber durch öffentliche Gelder finanziert wird, sinnvoller ist als eine privatisierte Einrichtung, die kommerzielle Gelder aus dem Tourismus und der Unterhaltungsindustrie schöpft. Denn die Dimensionen der Stadien würden auch den Umbau zu Konzert- und Theaterhäusern anbieten. Um große Umbaumaßnahmen zu umgehen, werden die Arenen oft  konventionell für Freilichttheaterveranstaltungen, Open-Air Konzerte und andere Großevents, die ohne hin unter freiem Himmel stattfinden würden, genutzt. Doch stellt sich die Frage ob allein durch diese begrenzt angebotenen Veranstaltungen genügend Gewinn erzielt werden kann um die Stadien zu erhalten.

Eine konstante Nutzung würde regelmäßige Einnahmen garantieren, was die Nachnutzung erst sinnvoll macht und so die Bauwerke vor einem Rückbau bewahren würde. Brasilien hat mehrere Milliarden Euro in die Ausrichtung der WM investiert und es wäre folglich schade, wenn das vorhandene Potential, welches die Stadien bieten, im nach hinein nicht weiter genutzt werden könnte. Der Nachhaltigkeitsgedanke war der FIFA wichtig, welche zusammen mit dem lokalen Organisationskomitee finanziell in ein Nachhaltigkeits-Schulungsprogramm für die Stadien Betreiber investiert haben. Unterstützt wird das Projekt unter anderem auch vom CTE, dem Ministerium für Sport und dem Stadtrat in Curitiba. Die Betreiber sollen so informiert werden über eine energieeffiziente Führung und sensibilisiert für einen langfristigen, nachhaltigen Umgang. Vielleicht regt die Veranstaltung auch an, sich mit dem Gedanken einer Nachnutzung auseinander zu setzen. Die Zukunft wird zeigen, ob die Idee nachhaltiger Stadien-Nutzung Anklang gefunden hat. Bis zu den ersten Ergebnissen in Brasilien, können wir uns auf die neuen Konzepte der Stadien für die WM 2018 in Russland freuen.
Autorin: Tamara Scheck