Risiken und Nebenwirkungen der luftdichten Bauweise
Seitdem sich die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben hat aktiv durch Neubauten und Sanierungen von Gebäuden Energie einzusparen gewinnt ein Thema in der Öffentlichkeit immer mehr an Bedeutung: Luftdichtigkeit bei Gebäuden. Zuvor bereits in Fachkreisen vielfach kontrovers diskutiert, ist diese Diskussion seit Anfang Mai 2014 mit Inkrafttreten der Novellierung der Energieeinsparverordnung (EnEV) auch in der breiten Öffentlichkeit präsent. Gemäß § 6 der EnEV sind zu errichtende Gebäude so auszuführen, „dass die wärmeübertragende Umfassungsfläche einschließlich der Fugen dauerhaft luftundurchlässig entsprechend den anerkannten Regeln der Technik abgedichtet ist.“ Doch was bedeutet das im Allgemeinen für das Bauen und Sanieren von Objekten und im Speziellen für die am Bau Beteiligten?
Beginnend bei der Planung von Objekten sind an erster Stelle die Architekten und Bauingenieure gefragt, die von Berufswegen schon dazu verpflichtet sind ihrer Bauherrschaft ein mangelfreies Werk zu übergeben. Falls diese nicht selbst über eine entsprechende Qualifikation verfügen, ist dringend anzuraten entweder entsprechend ausgebildete Sachverständige für Schall- und Wärmeschutz oder alternativ einen guten Energieberater hinzuzuziehen. Als nächstes sitzen spätestens bei der Ausführung auch die Handwerksfirmen der entsprechenden Gewerke wie Rohbauer, Fensterbauer, Dachdecker etc. mit im Boot, die ebenfalls verpflichtet sind, ein mangelfreies Werk entsprechend der anerkannten Regeln der Technik herzustellen. Als letzte wichtige Instanz ist der Immobiliennutzer zu nennen. Da die beste Planung und Ausführung nichts bringt, wenn das Nutzerverhalten nicht an die entsprechende Situation angepasst ist, ist dieser Part mindestens genauso wichtig wie die anderen beiden. Leider wird dieser Aspekt in der Praxis häufig unterschätzt. So wird weiter fleißig Dauerkipplüftung betrieben oder Dampfbremsen durch Nägel und Schrauben perforiert und sich anschließend darüber geärgert, dass die hochgepriesene und berechnete Energieeinsparung ausbleibt oder schlimmer noch Schimmelbildung zu beobachten ist.
Doch wofür soll das Ganze eigentlich gut sein? Was bringt eine luftdichte Bauweise für Vorteile? Durch die immer besser gedämmten Neubauten fallen nun auch die Wärmeverluste an den Wärmebrücken oder undichten Bauteilanschlüssen ins Gewicht. Die dickste und leistungsfähigste Dämmung ist annähernd wirkungslos, wenn Wärmebrücken nicht vermieden werden. Der vielfach zitierte „unwirtschaftliche Dämmwahnsinn“ ließe sich deutlich einschränken, wenn Planer in ihren Wärmeschutznachweisen statt den vorgeschriebenen pauschalen Wärmebrückenzuschlägen den tatsächlichen speziell für das Objekt ermittelten Wärmebrückenzuschlag im Zuge einer detaillierte Wärmebrückenberechnung ersetzen würden. Der geringfügige Honorarkostenmehraufwand, der durch die aufwendige Berechnung zustande kommt, wird bestimmt auch keinen Bauherren verärgern, wenn der Bauherrschaft dargelegt werden kann, was an Kosten für Dämmstärken oder erhöhte Wärmeleitfähigkeiten erspart werden kann. Von den dadurch eingesparten Energiekosten ganz zu schweigen. Zusätzlich wird durch die Vermeidung von Wärmebrücken eine Taupunktunterschreitung verhindert, die wiederum die Gefahr von möglicher Schimmelpilzbildung minimiert.
Doch nicht nur in der Heizperiode profitiert man von der Luftdichtigkeit. Natürlich gilt das Prinzip „Innenluft bleibt innen – Außenluft bleibt außen“ auch für den Sommerfall. So wird gleichzeitig auch ein Beitrag zum sommerlichen Wärmeschutz geleistet. Das diese Maßnahme nicht einzig und alleine ausreichend ist um den sommerlichen Wärmeschutz zu gewährleisten versteht sich von selbst.
Als weitere Vorteile einer luft- und winddichten Gebäudehülle gelten die verbesserte Wohn-/Nutzhygiene durch Verhinderung des Eintragens von Luftschadstoffen in die Raumluft und der höhere Wohn-/Nutzungskomfort durch ein behaglicheres Raumklima auf Grund von fehlenden Zugerscheinungen. Als positiver Nebeneffekt ist weiterhin die höhere bauphysikalische Sicherheit hinsichtlich Wärme-, Schall-, Brand- und Feuchteschutz zu benennen. Falls das Gebäude über eine kontrollierte mechanische Lüftung verfügt, kann auch der Betrieb einer solchen Anlage durch die Vermeidung von Zugluft optimiert werden.
Doch wie bei allen Dingen im Leben hat auch diese Medaille eine Kehrseite. Im Umkehrschluss bedeutet die Luftdichtigkeit eines Gebäudes nämlich für den Nutzer auch die Verpflichtung zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Luftwechsels in den einzelnen Räumlichkeiten. Erfolgt bei einem Altbau mit Einscheibenverglasung und Fenstern ohne Dichtungen der Luftaustausch von ganz alleine durch kleine Öffnungen und Ritzen, wird dieses Prinzip durch die luftdichte Bauteilanschlüsse sowohl beim Neubau als auch bei einer Sanierung aus oben genannten Vorteilen bewusst unterbunden. Diese führt jedoch dazu, dass die Raumluft sich immer mehr mit entstehender Feuchtigkeit durch Atmen, Schwitzen, Kochen etc. anreichert, bis die maximale Konzentration an Luftfeuchtigkeit erreicht ist. Ab diesem Zeitpunkt ist ein Austausch der gesättigten Raumluft dringend erforderlich. Geschieht dies nicht, kann die Raumluft keine weitere Feuchtigkeit mehr aufnehmen. Es bildet sich Kondensat, welches wiederum das Schimmelpilzwachstum begünstigt. Noch kritischer wird die Situation an Wärmebrücken. Dort reicht bereits eine Oberflächentemperatur von etwa 10 – 12°C (Taupunkt) aus um einen Tauwasserausfall zu provozieren. Bauschäden sind somit vorprogrammiert. Aus diesem Grunde schreibt die DIN 1946 „Raumlufttechnik“ im Teil 6 explizit die Erstellung eines Lüftungskonzeptes durch den Planer bzw. Architekten vor, in welchem dargelegt wird wie der notwendige, nutzerunabhängige Luftaustausch zum Feuchteschutz gewährleistet werden kann. Die Verantwortung für die Umsetzung des Lüftungskonzeptes liegt wiederum beim Nutzer der Immobilie, dessen vorrangiges Interesse einem mangelfreien und nutzbaren Objekt gilt. Wie geht man also mit diesem Problem um? Alle zwei Stunden Stoßlüften? Oder doch besser Back to the roots – zurück zur Einscheibenverglasung und offenen Kaminen? – Nicht ganz. Aber das bauphysikalische Prinzip welches hinter der veralteten Bauweise steckt ist durchaus in die zeitgenössische Architektur zu übertragen. Maßgeblich ist bei dieser Betrachtungsweise die Bauphysik. Führt man sich die beiden physikalischen Grundsätze vor Augen, dass warme Luft Feuchtigkeit aufnimmt und aufgrund der Thermik nach oben steigt und dagegen kalte Luft Feuchtigkeit abgibt und zu Boden sinkt lässt sich durchaus ein Konzept erkennen. Durch die offenen Fugen strömte seinerzeit kalte Außenluft in das Gebäude ein, wo Sie durch das Kaminfeuer erwärmt wurde und somit in der Lage war die Feuchtigkeit aus der Raumluft aufzunehmen. Da der Kamin in der Regel offen war konnte die mit Feuchtigkeit angereicherte Luft alleine durch die Thermik über den Kaminschacht wieder nach außen entweichen, so dass ein Kreislauf zur Sicherstellung des Luftaustausches ungehindert stattfinden konnte. Banal betrachtet entspricht dieses manuelle Lüftungskonzept heutzutage in etwa einer mechanischen Lüftungsanlage. Kalte Außenluft wird angesaugt und in die Räume eingebracht, wo sie sich erwärmen und mit Feuchtigkeit anreichern kann um anschließend als warme Fortluft aus dem Gebäude ausgeblasen zu werden.
Kombiniert man dieses Prinzip noch mit einem Wärmetauscher, bei dem die warme Fortluft zudem auch noch die kalte Außenluft vorwärmt, lässt sich eine solche Anlage auch durchaus mit hoher Energieeffizienz betreiben.
Wie man sieht, ist nicht zwangsläufig alles an alten Traditionen schlecht. Vielmehr sollten gute Lösungsansätze die alten Prinzipien und Erkenntnisse genauestens hinterfragen um sie schlussendlich in die Neuzeit zu übertragen. Das Rad muss nicht jedes Mal neu erfunden werden, aber es braucht auch längst nicht mehr ausschließlich aus Holz bestehen.
Autorin: Dipl. – Ing. (FH) Arch. Sarah Zietek