Neues Bauen mit Stahl, nichts ist unmöglich?

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Spätestens seit der Industrialisierung und der Erfindung des Stahlbaus ist der Baustoff „Stahl“ aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Berühmte Stahlbauwerke prägen nicht nur maßgeblich das Erscheinungsbild der Städte, sondern sind längst zu Wahrzeichen geworden. Was wäre Paris ohne den Eiffelturm, Köln ohne die Hohenzollernbrücke oder San Francisco ohne die Golden Gate Bridge?

War der Eiffelturm bis 1930 mit 324 Metern Höhe noch das höchste Gebäude der Welt, so zeigt sich, dass mit der Erfindung des Stahls ein neues Zeitalter angebrochen ist. Höher, schneller und mit immer weiteren Spannweiten wird gebaut und es scheint kaum eine Grenze zu geben. Wurden Höhe und Spannweite beim Holz irgendwann über die Höhe des Baumes begrenzt, lässt sich Stahl theoretisch am laufenden Meter produzieren. Grenzen zeigen da lediglich die Transport- und Lagerfähigkeit auf.
Zusätzlich lässt sich Stahl in beliebige Formen gießen und ist damit vielfältig einsetzbar. Auch die Stahlverbindungen sind facettenreich. Stahl kann geschweißt, genietet oder geschraubt werden. Je nach verwendeter Verbindung ändert sich nicht nur die Tragfähigkeit, sondern auch die Optik des Bauwerks. Durch die Vielfältigkeit der Verbindungsmöglichkeiten lassen sich eine Vielzahl von unterschiedlichen Stahlkonstruktionen herstellen. Durch die hohe Festigkeit des Materials wird dabei besonders die Schlankheit der verwendeten Träger und Stützen, auch bei hohen Spannweiten, geschätzt. Wo Beton und Holz an ihre Grenzen der statischen Tragfähigkeit stoßen, ist beim Werkstoff Stahl noch lange nicht Schluss. Ein gutes Beispiel dafür ist das mit 828 m zur Zeit höchste Gebäude der Welt. Der Burj Kalifa in Dubai. Bis in die 160. Etage, also 601 m über dem Fundament, konnte das Gebäude mit einer Stahlbetonkonstruktion errichtet werden. Danach war eine Konstruktion mit Betonbestandteilen, auf Grund der Förderhöhe für den Beton, nicht mehr möglich. Die letzten 227 m der Turmspitze bestehen daher nur noch aus einer Stahlkonstruktion.
Häufig wird der Stahl auch als Stahlverbund angewandt. In Verbindung mit anderen Materialien, wie zum Beispiel Beton entsteht der Baustoff „Stahlbeton“, bei dem die Einsatzmöglichkeiten schier unendlich scheinen. Nicht nur die Tragfähigkeit spielt dabei eine Rolle, sondern auch die Form, das Aussehen und die Haptik können beliebig variiert werden.
Auch in Bezug auf die Recyclingfähigkeit des Baustoffes Stahl, steht dieser recht positiv da. So lässt sich Stahl beliebig oft wieder einschmelzen und in eine andere Form bringen.
Doch es gibt auch Schwachpunkte. Obwohl man es auf den ersten Blick nicht glauben mag, so ist eine Stahlkonstruktion im Brandfall schlechter zu bewerten als eine Holzkonstruktion. Während das Holz langsam von außen nach innen vor sich hin kokelt, verändert sich beim Stahl durch die hohen Temperaturen rasch die Festigkeit. Der Holzkern jedoch verändert seine Tragfähigkeit nicht. Erst wenn der Querschnitt nicht mehr ausreichend für die Tragfähigkeit der Lasten ist, bricht die Konstruktion ein. Beim ungeschützten Stahl halbiert sich der Wert der Streckgrenze bereits bei 600°C gegenüber dem Wert bei einer Temperatur von 20°C, so dass die Stahlkonstruktion im Brandfall recht schnell vollständig kollabiert. Daher sind bei Stahlbauten besondere Anforderungen des Brandschutzes einzuhalten. Diese reichen von der einfachen, rechnerischen Überdimensionierung bis hin zu Ummantlungen und Verkleidungen. Im Hochhausbau werden sogar Wasserleitungen in die Profile integriert, in denen zirkulierendes Wasser im Brandfall die Temperatur der Stahlkonstruktion senkt.
Die Feuerbeständigkeit von Stahlkonstruktionen wird daher in den Feuerwiderstandsklassen eingeteilt, die die Minutenzahl angeben, wie lange der Stahl mindestens dem Feuer standhält ohne zu kollabieren. Angefangen bei einer Feuerwiderstandsklasse F30, also 30 Minuten, bis hin zu 180 Minuten (F180) sind möglich.
Ein weiterer Feind des Stahl ist die Korrosion. Durch den in der Luft enthaltenen Sauerstoff und die Luftfeuchtigkeit oxidiert der Stahl und es bildet sich Eisenoxid, besser bekannt als Rost. Durch Rost an Eisen- und Stahlkonstruktionen entstehen auf der ganzen Welt jährlich Schäden in Milliardenhöhe. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Stahlkonstruktionen seit der Industrialisierung fast überall alltäglich sind. Wir benutzen Fahrzeuge, fahren auf Schienen, errichten große Gebäude und Brücken und transportieren unsere Güter in Containern. Doch auch gegen den Rost gibt es vielfältige Lösungsmöglichkeiten. Die wohl effektivste Möglichkeit ist die Feuerverzinkung. Dabei wird das zu verzinkende Stahlelement in geschmolzenes Zink getaucht, was an der Oberfläche mit dem Stahl reagiert und eine widerstandsfähige Legierung bildet.
Rost kann jedoch auch ein gewolltes Gestaltungselement sein. In der Kunst und der Architektur sieht man immer häufiger Gebilde und Fassaden aus verrostetem Stahl – dem Cortenstahl. Der Name setzt sich aus der ersten Silbe COR für den Rostwiderstand (COrrosion Resistance) und der zweiten Silbe für die Zugfestigkeit (TENsile strength) zusammen und bezeichnet einen Stahlwerkstoff, der aus einer Stahllegierung mit den Legierungszusätzen Kupfer, Phosphor, Silizium, Nickel und Chrom besteht. Diese wird bewittert und bildet eine oberflächliche Rostschicht. Das besondere daran ist, dass diese Rostschicht tatsächlich nur oberflächlich bleibt und durch eine Sperrschicht aus Sulfaten oder Phosphaten unter dem Rost Schutz vor der Durchrostung bietet. Je nachdem ob der Cortenstahl phosphorlegiert ist, oder nicht, ist er bauaufsichtlich zugelassen. Die bauaufsichtliche Zulassung hat demnach nur der Cortenstahl ohne eine Phosphorlegierung. Dieser wird auch als Cortenstahl – B bezeichnet und findet vielfach Verwendung im Brücken- und Stahlhochbau.
Wie man an den Wettbewerben um die Errichtung von immer größeren Gebäuden und Türmen sieht, der mit dem 324 m hohen Eifelturm begann und im Jahr 2008 mit dem 828 m hohen Burj Kalifa zur Zeit seinen Höhepunkt erreicht hat, ist der Stahlbau ein wichtiger und fester Bestandteil unserer heutigen, industrialisierten Welt und noch lange nicht am Ende. Die nächsten Arbeiten an noch höheren Gebäuden sind bereits in Planung. Vieles ist durch den Einsatz von Stahl möglich, aber auch dieser Baustoff gerät irgendwann an seine Grenzen.
Autorin: Dipl. – Ing. (FH) Arch. Sarah Zietek